Ein Gastbeitrag von Johannes Schulte
Das chronische Fatigue Syndrom ME CFS und die Stoffwechselstörung HPU könnten Zwillingsschwestern sein. Auf jeden Fall sehen sie sich auf den ersten Blick recht ähnlich und haben tatsächlich viele Überschneidungen.
Anders ausgedrückt: Bei Menschen mit HPU ist vielleicht auch ME CFS ein Thema. Genauso setzen sich auch ME CFS Betroffene mit der HPU auseinander. Sie scheinen also öfters gemeinsam aufzutreten.
In diesem Gastartikel möchte ich deshalb die Zusammenhänge etwas erläutern und folgende Fragen anschauen:
Was ist ME CFS im Gegensatz zu HPU?
Was sind die gemeinsamen Symptome?
Was kann ich tun, wenn ich auch ME CFS habe?
Übrigens ist dieser Gastartikel aus unserem gemeinsamen Podcast-Gespräch entstanden, in dem Sonja über die HPU spricht. Im Gegenzug sprach ich als ME CFS Betroffener mit ihr auf ihrem Youtube-Kanal über ME CFS und Gemeinsamkeiten zu HPU.
Was ist ME CFS im Gegensatz zur HPU?
Zur HPU findest du auf dieser Webseite viele hilfreiche Informationen. An dieser Stelle also nur kurz die Erinnerung: HPU steht für Hämopyrrollaktamurie und ist eine Stoffwechselstörung in der Hämsynthese. Es ist eine klar einzuordnende Erkrankung, die über einen Urintest unkompliziert und mit hoher Wahrscheinlichkeit diagnostiziert werden kann. Ursache und Therapie sind bei der HPU relativ eindeutig.
Beim chronischen Fatigue Syndrom (CFS) bzw. der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME) ist es etwas anders.
Aber erst mal zwei Gemeinsamkeiten.
Bei ME CFS ist es ähnlich wie bei HPU und KPU. Rein medizinisch und biochemisch könnte man HPU/KPU und auch ME/CFS unterscheiden, aber die Symptome und die Therapie ähneln sich so stark, dass eine Unterscheidung nicht unbedingt notwendig ist. Deshalb spricht man oft von HPU und von ME CFS.
Noch eines haben wohl alle Betroffenen gemeinsam: Weil die Krankheit nicht sofort erkannt wird, geht man oft von einer psychischen Erkrankung aus. Die (falsche) Logik ist: “Man kann keine Krankheit oder Ursache feststellen, also muss es psychisch sein.” Dabei ist es in beiden Fällen eine klare körperliche Erkrankung.
Was ist ME CFS?
ME CFS hat im Gegensatz zu HPU keine Biomarker, an denen man die Krankheit klar diagnostizieren kann. Stattdessen macht man die Erkrankung anhand einer Ausschlussdiagnostik und anhand der Kombination von Symptomen fest. Diese Symptome müssen über sechs Monate bestehen, um als chronisches Fatigue Syndrom ME CFS mit dem ICE Schlüssel G93.3 diagnostiziert werden zu können.
Betroffen sind bei ME CFS fast alle Organe, hauptsächlich aber das Immun- und das Nervensystem. Deshalb spricht man hier von einer neuroimmunologischen multisystemischen Erkrankung.
Während bei HPU die Ursache relativ eindeutig ist, gibt es bei ME CFS eine lange Liste möglicher Ursachen. Auslöser ist in 70 % der Fälle eine Infektion wie der EBV-Virus oder auch Covid-19. Aber es gibt auch andere Auslöser oder schleichende Prozesse.
Ursachen für ME CFS oft vielschichtig
Die dahinter liegenden Ursachen dagegen sind oft vielschichtiger und schwieriger, herauszufinden. Oft liegen mehrere Ursachen vor, wie z.B. mehrere Vorerkrankungen und gesundheitliche Baustellen. Diese vielen körperlichen Stressoren sorgen dafür, dass das Fass irgendwann überläuft und das autonome Nervensystem überfordert scheint.
Prof. Dr. Stark spricht in einem Interview davon, dass bei allen medizinischen Studien zu ME CFS dieses fehlgeleitete autonome Nervensystem in jedem Fall eine Rolle spielt. Damit bestätigt er viele andere Fachleute, die ebenfalls die Fehlregulation des ANS als das Hauptproblem für ME CFS ansehen.
Übrigens: Streng genommen ist ME CFS (genau wie die HPU) keine Krankheit, sondern ein Syndrom. Das bedeutet eine Kombination bestimmter Symptome. Und hier sind wir wieder bei den Zwillingsschwestern, denn die Symptome bei HPU und ME CFS sind zum Verwechseln ähnlich.
Was sind die gemeinsamen Symptome bei HPU und ME CFS?
Die Leidensgeschichte von Sonja wie auch meine eigene zeigen, wie ähnlich die Symptome sein können. Aber nicht nur bei uns, sondern bei den meisten Betroffenen zeigen sich ähnliche Beschwerden, die allerdings in ihrer Kombination immer individuell verschieden oder unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Das Hauptsymptom ist in beiden Fällen eine ständige schwere Erschöpfung (Fatigue). Hinzu kommt eine geringe Stresstoleranz, weil der Körper einfach nicht mehr in der Lage ist, weitere Stressoren zu verarbeiten. Bei ME CFS ist dazu ein weiteres Hauptmerkmal eine Belastungsintoleranz, auch Post-Exertional-Malaise (PEM) genannt. Das bedeutet eine Zustandsverschlechterung schon nach einer geringen mentalen oder körperlichen Anstrengung.
Neben diesen Hauptsymptomen kann es eine ganze Litanei an Beschwerden geben. Manche dieser Beschwerden sind eher bei HPU zu finden, andere eher bei ME CFS:
- Hohe Infektanfälligkeit
- Reizdarm / Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
- Migräne
- Schilddrüsenstörungen (Hashimoto-Thyreoiditis)
- Muskel- und Gelenkschmerzen (Fibromyalgie)
- Autoimmunerkrankungen / Allergien
- Hautprobleme
- Zyklus-Störungen / Polycystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
- Angst / Depressionen
- Unerholsamer Schlaf oder Schlafstörungen (bei ME CFS)
- Ein ständiges Grippegefühl (bei ME CFS)
- uvm.
Auch eine instabile Halswirbelsäule scheint sowohl bei HPU als auch bei ME CFS vermehrt aufzutreten.
Einen Test und mehr Informationen zu HPU findest du auf dieser Website. Wenn du vermutest, dass auch ME CFS ein Thema bei dir ist, findest du dazu mehr Informationen in dem Blogartikel: Alles über die Krankheit ME CFS.
Was kann ich tun, wenn ich auch ME CFS habe?
Der erste Schritt ist erst einmal, dass du bestimmte Ausschluss-Diagnosen machen lässt, um anschließend anhand der Symptomatik ME CFS diagnostizieren zu lassen, z.B. anhand der kanadischen Kriterien.
Im zweiten Schritt gilt es, dass du dich über die Erkrankung ausreichend informierst. Denn viele Ärzte kennen sich kaum mit der Erkrankung aus. Deshalb ist – wie bei HPU auch – eine große Eigeninitiative gefragt.
Auf vielen Internetportalen findest du leider das niederschmetternde Fazit, dass ME CFS angeblich nicht heilbar ist. Und tatsächlich gibt es eben nicht die eine Therapie und Schritt für Schritt Anleitung, wie es glücklicherweise bei HPU der Fall ist. Auch leiden viele Betroffene wirklich für viele Jahre, ohne Besserung zu erleben.
Trotzdem gibt es andererseits genügend positive Erfahrungsberichte und wirksame Therapieansätze, die auch bei dir helfen könnten. Deshalb möchte ich dich ermutigen, dich mit positiven und praktisch hilfreichen Informationen zu umgeben, anstatt in die Mutlosigkeit zu versinken.
Weitere Informationen zu ME CFS
Mehr hilfreiche Informationen bekommst du u.a. auf unserer Internetplattform Fasynation. Dort findest du unter Ressourcen auch eine Liste mit Ärzten und Therapeuten, die sich mit der Erkrankung auskennen.
Ob HPU oder ME CFS – es bestehen realistische Aussichten auf Besserung.
Und genau diese wünsche ich dir von Herzen.